Der Vergleich von der «neuen Lust am Sozialismus» (NZZ-Leitartikel vom 20. Juli 2019 von Thomas Fuster) mit dem Placebo-Effekt der Homöopathie ist stimmig. Wäre stimmig, wenn Thomas Fuster nicht mit Scheuklappenlogik – oder soll ich sagen: ungesundem Männerverstand? – und Unwissenschaftlichkeit dahinter ginge.
Placebo ist lateinisch und bedeutet: «Ich werde gefallen». Das ist Hoffnung, das ist Menschlichkeit, das hat Wirkung. Jedes Medikament hat einen Placebo-Effekt. Gemäss wissenschaftlichen (!) Studien entfaltet eine Therapie ihre grösstmögliche Wirkung, wenn sowohl der Patient als auch die Ärztin einvernehmlich daran glauben. Es geht also um Gleichheit, Gerechtigkeit, Solidarität – die soziale Einbettung, die Fuster als «modisches Accessoire» abtut.
Fuster zitiert acht Männer, um nachzuweisen, dass der «Zwangssozialismus» als mörderische Massenvernichtungswaffe in der Geschichte gescheitert sei. Er redet von der Geldumverteilung im «Realsozialismus». Was hat das mit der Lust am Sozialismus, mit der Achtung und Anerkennung des Menschen zu tun?
Nicht zufällig lassen sich Menschen für eine Care-Bewegung zu Tausenden mobilisieren, wie dies am 14. Juni, am Frauenstreiktag, geschah. Die Menschen, vor allem Frauen, haben vom Nocebo-Effekt (lat. «ich werde schaden») des Neoliberalismus genug. Sie haben es satt, sich instrumentalisieren zu lassen für die seit dem Scheitern des Realkommunismus 1989 immer schneller drehende Krisenspirale, für den Machtmissbrauch und die Gewinnmaximierung. Es ist Zeit, dass die Wirtschaft in die Pflicht genommen wird: Umsetzung des europäischen Menschenrechts auf bezahlte Arbeit und die Entscheidungsfreiheit der einzelnen Person, wann sie pensioniert werden möchte, wäre ein schnell umsetzbarer Anfang.
Kommentar schreiben