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CORONA-CHRÄNZLI ERÖFFNET

Sonntagmorgen, 22. März 2020, 7h

 

Ich gehe zum Sammelbriefkasten um die Ecke. Im violetten Pyjama, barfuss. Auf dem Trottoir hüllt mich die kühle Luft ein. Leichte Bise. Die NZZ am Sonntag liegt im Milchkasten. Trotz Mail-Hinweis am Samstag, die Zustellung könnte verzögert sein. Ich schlüpfe zurück ins Haus. Empfang durch die beiden Katzen. Balu, der Kater, hat Zecken am Kiefer, gleich zwei. Früh - es ist erst Mitte März. Ich zeukle mit Fressi-Sticks. Blöde Stelle. Die grössere Zecke kriege ich mit der Zange raus. Bei der kleineren wird mir mein Sohn helfen müssen.

 

Mein Prinzessin-Bett ist noch warm. Ich lehne mich an die vierfache Schicht rosa Kissen. Laptop auf dem Schoss. Schneuze in das Nastuch, das ich irgendwann unter das Kopfkissen gesteckt hatte. - Wäh - darin hängt Rauch von vorgestern. 20. März, Frühlingsanfang 4.49h, mein Geburtstag. Abenteuerlich besorgten Blumenstrauss bekommen: frisch gepflückt und kontaktlos verkauft. Zu dritt im Wald Cervelats und Cippolata gebraten. Selbstgebackenes Brot gegessen. Kaffee mit italienischem Espressokocher auf der Glut gekocht.

 

Geburtstag auch meines Bruders, fünf Jahre jünger als ich. Vor sechs Jahren, 2014, kurz vor unserem Geburtstag. Sein Flug kommt aus Bangkok: Er ist nicht in Zürich angekommen. Stattdessen in Thailand umgebracht worden am 11. März. Dürre Polizeimeldung per E-Mail, vom Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) weitergeleitet: «Bei einem Autounfall ums Leben gekommen, an einem Ort, wo er nicht war. Pass zufällig auf dem Fenstersims eines nahen Ladens gefunden.» Wahrscheinlich von der thailändischen Mafia verschleppt, bedroht, abgefüllt, verladen und komprimittiert worden. Kaum Geld da, man konnte ihn nicht ausnehmen - also auf die Strasse werfen und überfahren ...


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