Eines ist sicher: Wir brauchen eine neue Politik. Wir brauchen eine Politik, die nicht wirtschaftshörig ist. Die für die Menschen da ist. Wie es gerade Ansätze gibt, in dieser humanitären Krise. Die Corona-Krise ist nämlich keine Wirtschaftskrise!
"Brüderlichkeit" aller Menschen war die Forderung der Französischen Revolution 1789. Es scheiterte am Geld und am Eigentum: Wer hatte, dem wurde gegeben, wer nichts hatte, dem wurde noch genommen, was er nicht hat. Das steht in der Bibel, in den Evangelien - ausgerechnet. Denn zur Aufklärung, die in die Französische Revolution mündete gehörte, tradierte Lebensweisheiten über Bord zu werfen, es besser machen zu wollen. Festzustellen, dass die Unmündigkeit der Menschen selbstverschuldet sei - also es an ihnen liegt, sich die Freiheit zu nehmen auszubrechen (Immanuel Kant).
Und heute? Wie leben wir? Brüderlich? Solidarisch? Demokratisch? Man hat sich von der Wirtschaft gängeln zu lassen, damit sie einem gnädigerweise einen Lebensunterhalt gewähre. Man hat Material anzuhäufen, zu konsumieren, damit andere Geld anhäufen können, ihren Gewinn maximieren, mit dem sie nichts anzufangen wissen. Denn brüderlich teilen mögen sie nicht. Man muss es ihnen schon wegnehmen! Systemwechsel ist angesagt. Die Wirtschaft ist in die Pflicht zu nehmen für die Bedürfnisse der Menschen anstelle die Interessen des Geldes. Dem Corona-Virus sei dank: Die Zeit der Umkehr ist angebrochen - ganz biblisch-prophetisch.
Die Rechtsphilosophin Martha C. Nussbaum fragt sich, ob das christliche Denken, das wir alle haben, die wir im "Westen" leben, als Denkmuster für eine neue politische Ordnung des Zusammenlebens geeignet sei. Was ich schon immer ahnte, bestätigt Nussbaum ("Politische Emotionen", 2014, S. 75): Nein, das Christentum ist für das menschliche Zusammenleben nicht geeignet, denn
- es lehrt die Menschen, auf eine spirituelle und jenseitige statt auf eine politische Erlösung zu hoffen.
- es bewirkt, dass die Menschen ihre Gedanken nach innen richten, da jede und jeder aufgefordert wird, ihr und sein eigenes Herz zu prüfen. Tatsächlich beobachte ich, dass in unserer christlich sozialiserten Welt Selbstgerechtigkeit gegenüber Zuwendung zum anderen Menschen Vorrang hat.
- es lehrt Gewaltlosigkeit, sogar Märtyrertum, wodurch die Menschen einerseits zu Sklaven des Kapitalismus geworden sind, andererseits ihre Machtphantasien mit einem tyrannischen Helfersyndrom ausleben, wie ich meine.
Wir sind gerade daran, die gegenwärtige humanitäre Krise anders zu meistern als in Zeiten der Pestzüge rund um die Welt. Wohin aber geht die Reise?
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